Melodien der Großen

Wiesbadener Kurier Feuilleton

RMF mit Ulrike Neradt und Ernst Stankovski

Vom 11.08.2007 Ingeborg Toth

RAUENTHAL. "Zwischen Alexanderplatz und Wiener Hölle" präsentieren Ulrike Neradt und Ernst Stankovski beim Rheingau Musik Festival (RMF) in der Staatsdomäne Rauenthal melodienselig das Kabarett der Goldenen Zwanziger: "Vergnügungstaumel, Tango, Tempo, Stress". Der leichte Humor schlägt bisweilen in gesellschaftkritische Satire um, wenn es um die heraufdämmernde Nazizeit geht.

Als Fernsehstars bringen sie Popularität mit, als Künstler gewinnen die Neradt und Stankovski auf der Bühne ungemein an Profil. Gemeinsam zollt ihnen das erwartungsvolle Publikum viel Anerkennung. Es gibt Szenenapplaus - beide sind höllisch gut. Mit einem temperamentvollen Chanson gelingt dem Schauspieler und Kabarettisten Stankovski ganz en passant zu Beginn des Abends ein müheloser Spagat: "Wien hat einen Bahnhof, von dem aus man nach Berlin kommt." Hier wie dort ist das politische und das literarische Kabarett zu Hause.

Die beiden verstehen es, ihre getrennt inszenierten Programmhälften - Stankovski beginnt, Neradt tritt nach der Pause vors Publikum - zu einem einem äußerst gelungenen Ganzen zusammenzufügen. Gandseigneur Stankovski (Jahrgang 1928, in Wien geboren) entführt bei diesem Ausflug in die "Hölle". Ein Wiener Kabarett, in dem alle Großen des Metiers auftraten. Stankovski setzt speziell Fritz Grünbaum ein Denkmal, trägt dessen Satire "Die Hölle im Himmel" vor und schildert sein Ende in Dachau.

Stankovski und die Neradt schwelgen in großen Namen: Ralph Benatzky und Robert Stolz, Fritz Rotter, Friedrich Holländer, Fritz Löhner-Beda, Otto Reuther, Walter Kollo, Erich Kästner und Kurt Weill. Das Wiener Kaffeehaus fehlt nicht. Denn "dahin gehen Leute, die allein sein wollen und dabei Gesellschaft brauchen".

Während der 79-Jährige sich selbst auf dem Klavier begleitet und auch sein eigener Conférencier ist, setzt Neradt auf die Begleitung von Frank Golischewski - nicht nur am Klavier. Er gibt dem Publikum kurze Einführungen, trägt witzig vor. Neradt ist bemerkenswert souverän. Ihr Spiel und ihr Gesang gewinnen an Dramatik hinzu. Längst ist sie nicht mehr die leichtgewichtige Diseuse, die sich zwischen Kabarett und Show bewegt. In vielen Dialekten gibt sie dem Vers den wunderbar passenden musikalischen Ton: "Sehnse, det is Berlin" - und das Publikum jubelt.
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